Gibt es eine Arbeitgebermarke?

Die Machtverhältnisse zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben sich verschoben. In diesem verschärften Wettbewerb um die knappe Ressource qualifizierter Arbeitskräfte stehen Unternehmen daher vor zwei großen Herausforderungen: Sie müssen für die potenziellen Fachkräfte wahrnehmbar werden und sie müssen langfristig überzeugen. Es ist nicht mehr nur an den Arbeitnehmern, sich zu positionieren, sich zu verkaufen und zu glänzen, sondern auch die Arbeitgeber müssen sich zunehmend bei ihren zukünftigen und aktuellen Mitarbeitern beweisen. Besonders viele Maßnahmen zu Karrierechancen, Weiterentwicklung und Work‐Life‐Balance anzubieten, ist zu kurz gedacht – im Konzept des Employer Brandings sind diese Maßnahmen nur ein Teil, der die Qualität des Arbeitgebers als Basis ausmacht, aber damit noch keinen langfristigen Wettbewerbsvorteil kreiert. Im Employer Branding geht es darum, nachhaltig zu einer Marke zu werden.

In seiner reinen Übersetzung bezeichnet Employer Branding den Prozess zur Bildung einer Arbeitgebermarke. Es handelt sich also um eine Maßnahme der Unternehmensstrategie, bei der Elemente und Konzepte aus dem Marketing sowie der Markenbildung zur Anwendung kommen und Wettbewerbsvorteile generiert werden. Ziel des Employer Brandings für Unternehmen ist es, sich strategisch und operativ in den Köpfen der externen und internen Zielgruppe der potenziellen, aktuellen oder ehemaligen Mitarbeiter durch eine klare Positionierung und Abgrenzung vom Wettbewerb in den relevanten Märkten als attraktiver, glaubwürdiger und unverwechselbarer Arbeitgeber zu verankern.

Das Rollenverständnis einer Marke hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten grundlegend verändert: Während die Marke ursprünglich einen optischen Hinweis für die Qualität eines Produktes darstellte, wird heute die Marke selbst in Form einer Idee, einer Haltung oder einer Philosophie zum Produkt, das auf ein Medium aufgedruckt wird. Der Homo Oeconomicus aus der mikroökonomischen Theorie, der rein rational nach seiner persönlichen Nutzenmaximierung handelt und entscheidet, reicht zur Erklärung des menschlichen Verhaltens nicht mehr aus.

 

Marken sind auf vielen Märkten das einzige Unterscheidungsmerkmal

Gerade in Zeiten eines Qualitätspatts auf den meisten Produktmärkten wird die Marke zum einzigen Unterscheidungsmerkmal und so zentrales Verkaufsargument. Beziehen sich diese Nutzenbündel oder Vorstellungsbilder der Marke nicht mehr auf ein einzelnes Produkt oder eine Dienstleistung, sondern wird das ganze Unternehmen zur Marke, spricht man von einer Corporate Brand oder Unternehmensmarke, unter der das Unternehmen einen einzigartigen und somit von der Konkurrenz unterscheidbaren Charakter bekommt. Damit reduzieren Marken die Unsicherheit auf Seiten der Konsumenten hinsichtlich der Frage, für welches Produkt sie sich entscheiden sollen. Bereits in den 90er Jahren gibt es eine umfassendere Wahrnehmung der Konsumenten, die wertorientiertes und nachhaltiges Verhalten der Unternehmen immer mehr in den Vordergrund ihres Entscheidungsprozesses stellen. So treten die Hersteller aus dem Schatten ihrer Produkte heraus und werden mehr in die Verantwortung für gegenwärtige und zukünftige Aufgaben für Umwelt und Gesellschaft gezogen.

Eine Unternehmensmarke hat verschiedene Anspruchsgruppen, welche die Marke in unterschiedlicher Weise wahrnehmen, da sie sich auf die für sie relevanten Merkmale fokussieren; so interessieren sich Kunden für die Produktqualität und Mitarbeiter für die Vergütung.

Wenn von der Arbeitgebermarke oder Employer Brand die Rede ist, ist aber keinesfalls eine andere oder neue Marke gemeint, im Gegenteil: Die Arbeitgebermarke ist ein besonderer Teilbereich der Unternehmensmarke, der sich gezielt an die Anspruchsgruppe der derzeitigen und potenziellen Mitarbeiter richtet. Die Arbeitgebermarke sollte sich daher an die Unternehmensmarke anlehnen und sich konsequent aus ihr ableiten. Um diese besondere Anspruchsgruppe, die heute immer mehr eine Schlüsselfunktion für den Erfolg des Unternehmens ausmacht, optimal anzusprechen und zu bedienen, wird das Employer Branding zu einer zu gleichermaßen abteilungsübergreifenden Disziplin aus Human Ressource‐ und Personalmanagement (kurz: HRM), Marketing sowie Unternehmensleitung. Aufgabe der Unternehmensleitung ist dabei die Gestaltung des Unternehmens als attraktiver Arbeitgeber, das HRM leitet daraus Inhalte und Maßnahmen nach innen ab, während das Marketing die kommunikative Umsetzung übernimmt.

 

Arbeitgebermarke vs. Produktmarke

Auch wenn der Vergleich von Produktmarketing zum Employer Branding insofern nicht zutreffend ist, als dass die Entscheidung für einen Schokoriegel nicht mit der Auswahl eines Arbeitgebers zu vergleichen ist, gibt es eine entscheidende Parallele: Unsicherheit. Dort, wo die Investition, in diesem Fälle zukünftige Lebenszeit, oder das Risiko besonders hoch sind, bekommen Marken als Orientierungs‐ und Entscheidungshilfe eine besonders hohe Bedeutung. Denn wie auch bei der Produkt‐ oder Unternehmensmarke beantwortet die Arbeitgebermarke die Frage nach dem Warum. Dabei klärt sie zunächst, warum sich die angehende Fachkraft für einen Arbeitgeber interessieren sollte. Im nächsten Schritt fragt sie dann, warum sich die Fachkraft für diesen Arbeitgeber entscheiden sollte. Die besondere Eigenschaft der Arbeitgebermarke, die hier noch einen entscheidenden Schritt weitergeht: Sie stellte auch die Frage, warum sich die Fachkraft über die eigenen Leistungsgrenzen hinaus für diesen Arbeitgeber einsetzen sollte. Die klare Antwort soll das zentrale Wertversprechen als Kern der Arbeitgebermarke sein. Im Produktmarketing ist damit die so genannte Unique Selling Proposition gemeint, also das Alleinstellungsmerkmal des jeweiligen Produkts. Vergleichbar hierzu ist im Rahmen des Employer Brandings eine Employee Value Proposition (kurz: EVP) zu formulieren. Neben dem Vertrauen, das Konsumenten einer Marke mit klaren Attributen gegenüber erbringen, nutzen Menschen Marken aber auch, um die Assoziationen mit der Marke auf sich selbst zu übertragen. Mit der Nutzung einer Marke kommunizieren sie also, wie sie sich selbst sehen. In den meisten Fällen ist das Ziel, sich selbst zu finden und zu identifizieren, das eigene Profil damit zu schärfen und sich so aufzuwerten.

Diese Funktionen gelten auch für eine Arbeitgebermarke, die daher eine Identifikations‐ und Prestigefunktion erfüllen kann und muss. Dass der Markt dort noch Nachholbedarf hat, zeigt ein Negativbeispiel von zwei Energieversorgern, die sich parallel mit den Slogans Unsere Energie, Ihr Antrieb und Ihre Energie ist Ihr Antrieb auf Personalsuche begeben haben. Völlig ohne Eigenständigkeit und Versprechen bleiben sie so für die Zielgruppe zunächst austauschbar, geben also keinerlei Antworten oder Entscheidungshilfe mit einem Werteversprechen.

Allerdings gibt es klare Grenzen der Analogie zum klassischen Produktmarketing. Vielmehr besteht die Vergleichbarkeit der Arbeitgeberleistung mit einer Dienstleistung und demnach existieren Parallelen zwischen Personal‐ und Dienstleistungsmarketing. Anders als bei einem Produkt sind die Leistungsmerkmale bei einem Arbeitgeber kaum sichtbar. Erst nach Erwerb, also der Anstellung sind diese Merkmale überprüfbar, aber wie bei einer Dienstleistung rein auf Subjektivität basierend. Zudem ist das Entscheidungsrisiko für einen Arbeitsplatz gegenüber dem kurzfristigen, habitualisierten und personenunabhängigen Kauf eines Produkts deutlich höher und der Prozess somit deutlich langwieriger und sehr stark von Personen, etwa vom Vorgesetzten, abhängig. Dennoch hat der Mitarbeiter viel mehr Möglichkeiten, das Versprechen der Marke auf die Probe zu stellen und auf Glaubwürdigkeit zu prüfen, da er nicht nur vom Bewerber zum Mitarbeiter, sondern gleichzeitig auch zu einem Teil der Marke und so zum Markenbotschafter wird.

Während die Arbeitgebermarke das Selbstbild des Unternehmens und somit eine SOLL‐Identität des Unternehmens als attraktiver Arbeitgeber beschreibt, ist unter Arbeitgeberimage das Fremdbild oder die IST‐Identität der Arbeitgebermarke zu verstehen, welche durch Positionierung und Kommunikation in den Köpfen der relevanten Zielgruppe entsteht. Das entstandene Fremdbild ist dabei synonym mit dem Arbeitgeber(marken)image, das sich aus einem langfristigen Markenguthaben, bestehend aus Einstellungen, Sympathie und Vertrauen, sowie dem kurzfristig änderbaren Markenbild in Form von Farb‐, Design‐ oder Bildwelt zusammensetzt. Je enger die internen und externen Zielgruppen – also bestehende und potenzielle Mitarbeiter – mit der Arbeitgebermarke interagieren, umso mehr nähern sich IST‐Markenidentität und Markenimage an.

 

Quellen:

Beck, C. (2008). Personalmarketing 2.0. Personalmarketing in der nächsten Stufe ist Präferenz‐Management. In C. Beck (Hrsg.), Personalmarketing 2.0. Vom Employer Branding zum Recruiting. Köln: Wolters Kluwer Deutschland GmbH.

Becker, J. (2002). MarketingKonzeption: Grundlagen des zielstrategischen und operativen MarketingManagements. München: Vahlen.

Böttger, E. (2012). Employer Branding. Verhaltenstheoretische Analysen als Grundlage für die identitätsorientierte Führung von Arbeitgebermarken. Wiesbaden: Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH.

Buckesfeld, Y. (2012). Employer Branding. Strategie für die Steigerung der Arbeitgeberattraktivität in KMU. Hamburg: Diplomica® Verlag GmbH.

Felser, G. (2010). Personalmarketing. Göttingen: Hogrefe Verlag.

Herbst, D. (2006). Corporate Identity: Aufbau einer einzigartigen Unternehmensidentität; Leitbild und Unternehmenskultur; Image messen, gestalten und überprüfen. Berlin: Cornelsen Scriptor.

Kriegler, W. R. (2012). Praxishandbuch Employer Branding. Mit starker Marke zum attraktiven Arbeitgeber werden. Freiburg: Haufe‐Lexware GmbH & Co. KG.

Trost, A. (2013a). Der Weg zur Arbeitgebermarke: Wie Sie ihn erfolgreich beschreiten. Personal im Fokus, 22‐24.

Trost, A. (2013b). Employer Branding. In A. Trost (Hrsg.), Employer Branding. Arbeitgeber positionieren und präsentieren. (S. 13‐78). Köln: Wolters Kluwer Deutschland GmbH.

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